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Der Gewürzgarten Salomons

Source: Deutsche Popszene, 1972
Author:

Der Gewürzgarten Salomons

Popol Vuh spielt "In den Garten Pharaos" den Frieden und die Freude der Musik

In den Ohren wohnen die Göttinnen der Raumrichtungen, der Walterinnen des Elementes Raum, das in der Muschel des Ohres sich als Schall einfängt. - Avurveda III, 8

Popol Vuh spielt seit zwei Jahren eine Musik, die den Frieden bringen will. Florian Fricke von der Münchner Gruppe Popol Vuh sucht für seine Musik und Musik überhaupt: "Laßt uns Musik machen, die uns wohltuend bedenkt, die uns von dem AUSSEN nach INNEN führt.. Dort laßt uns gemeinsam sein. Frieden und Freude."

Popol Vuh ist die einzige deutsche Popgruppe, die mit dem großen MOOG SYNTHESIZER arbeitet. Auf dieser Wundermaschine mit Millionen von Klangmöglichkeiten findet Popol Vuh " hier ein Horn von Ramses, da eine äthiopische Harfe, da, der Gewürzgarten Salomons, Wind."

Popol Vuh besteht aus Holger Trülzsch (Percussion, drums), Florian Fricke (MOOG-Synthesizer, Organ, E-Piano) und Frank Fiedler (MOOG-Synthesizer-Mixdown). Ihre erste LP "Affenstunde" erschien 1971. Im gleichen Jahr wurde die Gruppe in den Fernsehensendungen "Beatclub" und "Popmusik in Deutschland" vorgestellt und im Musikpoll der Fachzeitschrift "Sounds" auf vier vordere Plätze gewählt.: "Die Musik selbst schon ist sehr schön und hörenswert."

Popol Vuh benutzte bei der Produktion der zweiten Langspielplatte "In den Gärten Pharaos" (PILZ/BASF) als besonderes Instrument die Orgel der bayrischen Stiftskirche Baumburg, auf der Florian Fricke das Stück ‘VUH" spielte. Die neue Platte - vorgestellt bei der aufwendigen "Reise der neuen Moog-Musik Popol Vuh durch Deutschland" - ist ein weitere Schritt der Gruppe hin zu Klarheit, Frieden und Freude - in die Nähe Gottes.

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In dieser Ausgabe: interview mit Popol Vuh über Popol Vuh - Bedeutung und Funktion des großen Moog Synthesizer - Florian Fricke über "Wort, Gesang, Klang als Rückweg zu Gott, als Heilkraft, als Verführung und als Gewalt -

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Was ist das eigentlich - ein Moog-Synthesizer

Der Moog-Synthesizer ist ein spannungskontrolliertes System zür Tonerzeugung in Modulbauweise. Audiospannung des Systems ist ein Volt, Steuerspannung : 0,5 bis 15 volt. Folgende Bausteine kommen zur Verwendung: Rauschgeneratoren, Mehrbereichsfilter, spannungskontrollierte Hoch- und Tiefpaßfilter auf Sinus-, Rechteck-, Dreieck-, und Sägezahnwellen mit einem Frequenzbereich von 0 bis 20 kHz, Mutteroszillatoren als Spannungssteuerrung der Tonoszillatoren, lineare uns expotentiale Verstärker, Hüllkurvengeneratoren mit einstellbarer Ein- und Ausschwingzeit von 10m/sec bis 10 sec., Mixer, Phasenumkehrer, nicht spannungskontrollierte Hoch- und Tiefpaßfilter und eine Tastatur mit 61 Tasten und folgenden Funktionen: Lagenwechsel eb bloc, spannungsgesteuerte Modulationsmöglichkeiten der produzierten Klänge und Verzögerung von Spannungsänderungen, wodurch genau einstellbare Glissandi (Gleittöne) von einer Taste zur nächsten produziert werden können.

Diese Tasten zupfen oder schlagen keine Saiten - sie schalten: Steureströme der Mutteroszillatoren, diese wiederum die spannungsgesteuerten Tongeneratoren, geregelten Hüllkurvenoszillatoren und so weiter und so weiter. Anders als bei den klassischen Musikinstrumenten, die zur Erzeugung der Töne schwingende Körper, Saiten, gespannte Felle oder in Schwingungen versetzte Luftsäulen (Flöten oder Schalmeien) verwenden, gibt es bei "Instrumenten" wie dem Moog Synthesizer nur noch eine Vielzahl hochkomplizierter elektronischer Schaltungen, Steckverbindungen und Regler.

Diese "unnatürliche" Form der Lauterzeugung ist ein Produkt des technischen Zeitalters. Physiker begannen zur Beschreibung und Analyse mechanischer Vorgäng (wie dem Vorgang der Lauterzeugung, der Schwingungsvorgänge) physikalisch-elektrische Analogien zu entwickeln, die zu einer Zerlegung der komplizierten Schwingungsgebilde eines natürlichen Lautes in seine elementarstrukturen führte.

Zum Synthesizer, einem Gerät zur Synthese elementarer Schwingungsvorgänge zu beliebigen Komplexen führt zweierlei: Einmal die Kenntnis dieser Elementarstrukturen, die Möglichkeit sie mit Hilfe von Transistoren, Spulen, Widerständen, Kondensatoren und anderem auf elektrischem Weg darzustellen. - hier schwingt also keine Luftsäule sondern ein elektrischer Strom. Zum anderen: Diese elementarstrukturen dann wieder zu kombinieren zu bestimmten Lautarten - ähnlich der Registratur einer Orgel, die verschiedene Pfeifen zu einem Klangbild kombiniert.

Da unsere Ohren, um zu hören, auf das schwingende Medium Luft angewiesen sind, müssen die elektrischen Schwingungen des Synthesizers so verstärkt werden, daß sie einen festen Körper, zum Beispiel eine Membrame, in Schwingungen versetzen können, dieser wiederum die ihn umgebende Luft. So wird uns ein akustisches Bild des elektrischen Vorgangs vermittelt, ein Ton - ein synthetischer Ton.

Der MOOG ist ein Wahnsinnsinstrument ...

Popol Vuh berichtet über den Moog und ihre Musik: "Klänge, die uns selbst am meisten verzaubern."

Popol Vuh arbeitet als einzige deutsche Popgruppe mit einem großen Moog Synthesizer. Aus ihm gewinnt die Münchner Gruppe einen Klang, der auch international einmalig ist. Als 1970 die erste Platte von Popol Vuh erschien, wurde sie mit Lob überschüttet. Auf eine Seite der neuen, zweiten, Langspielplatte "In den Gärten Pharaos" hat Popol Vuh den Moog-Sound noch durchsichtiger und klarer eingesetzt. Auf der anderen Seite hört man eine große Kirchenorgel, aufgenommen in einer bayrischen Dorfkirche. Beiden Kompositionen ist trotz der unterschiedlichen Instrumente gemeinsam, jene Musik zu sein, von der die Gruppe sagt: Wir tragen sie gewöhnlich lange in uns herum und achten beim Spielen darauf, glücklich zu sein."

Popol Vuh hat sich bislang weitgehend vom Prog-Trubel ferngehalten und deshalb Interviews und Kontakte zur Presse gemieden. Um so interessanter sind deshalb die folgden äußerungen der Gruppe über ihre Musik und ihren Moog.

Hymnisch

Als sich Popol Vuh vor einem Jahr mit ihrer ersten LP "Affenstunde" dem deutschen Publikum vorstellte, wurde ihr das Prädikat "Maßstab der deutschen Popmusik" zugesprochen, schmeichelhaft für eine Musik, die nichts mit den Klischees der Popmusik zu tun hat, sondern sie im Gegenteil meidet, um den Weg zu einer eigenen, freien, hymnischen Musik so bedingungslos wie möglich zu machen.

Popol Vuh: "Wir haben in dieser Gegend, Deutschland, eine sehr alte schöpferische Tradition, deren Boden eine Art, vielleicht kann man sagen, mystische Bereitschaft zum Absoluten ist. Hinter uns viel Dichter, viele Philosophen, viel herrliche Musik, zuletzt wahnhafter Faschismus. Zur Zeit leben wir hier, verglichen mit anderen Ländern, ungemein frei, kritisch gegenüber Masseneuphorien, Massendekstruktionen.

Eine gute Zeit, um hier etwas Eigenes entstehen zu lassen. Wir arbeiten an einer Musik, die in sich so frei ist, daß der Hörer zu seinen eigenen Phantasien findet; wir suchen in uns und finden in alten Büchern, die von der materiell-immateriellen Einheit von Lauten und menschlichem Mikrokosmos handeln, die klanglichen und harmonikalen Grundstrukturen, die in sich die Kraft der Verwandlung tragen. So erfahren wir musik selbst als etwas Zeugendes; dies vermitteln wir weiter."

Heilig

Popol Vuh baut ihren Sound zu einem großen und bestimmden Teil auf dem MOOG-Synthesizer auf - durchpulst von türkischen und afrikanische Percussions. Die Gruppe verabscheut jede elektronische Musik im Bereich der Effekte.

Popol Vuh: "Ein Gag ist Scheiße, jeder Effekt ist Scheiße, ohne Leben. Der MOOG ist ein Wahnsinnsinstrument - man kann wirklich sehr viel damit machen; wir jedenfalls entscheiden uns stets für die Klänge, die uns selbst am meisten verzaubern - hier ein Horn von Ramses, da, eine äthiopische Harfe, da, der Gewürzgarten Salomons, Wind. Damit machen wir unsere Musik. Wir tragen sie gewöhnlich lange in uns herum und achten beim Spielen darauf, glücklich zu sein. Ein weinig mehr haben wir von der Moral alter Handwerker gelernt, die ihre Teppiche mit heiligen Lauten knüpfen."

Die zweite Langspielplatte von Popol Vuh "In den Gärten Pharaos" ist auf dem neuen "Pilz"-Label (im Vertrieb von BASF) erschienen. Die Gruppe hat vier Monate lang in der Nähe Münchens auf einem alten Pfarrhoff, der seit acht Jahren eine Kommune beherbergt, an dieser Musik gearbeitet.

Magisch

"Popol Vuh" ist das heilige Buch der Quiche-Indianer. "Popol" bedeutet etwas "Vereinigung", "Leute", "Gefäß". "Vuh" ist ein Göttername, ein magisches Wort; es drückt aus: herabstoßenden Fruchtbarkeit, Licht, Sonne, brennende Eichel.

"Popol Vuh" besteht aus:

Holger Trülzsch: percussion, drums
Florian Fricke: MOOG-Synthesizer, organ, e-piano
Frank Fiedler: MOOG-Synthesizer-Mixdown

 

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Wort, Gesang, Klang

Source:  Germania, nr3, p.16-17, 1972
Author: F. Fricke

Wort, Gesang, Klang

POPOL VUH

POPOL VUH "ist das heilige Buch der Quiche-Indianer. “Popol" bedeutet etwa, “Vereinigung, Leute, Gefäß". “Vuh" ist ein Göttername, ein magisches Wort; es drückt aus: herabstoßende Fruchtbarkeit, Licht, Sonne, brennende Eichel, Ihre 2. LP ist gerade erschienen.

Wort, Gesang, Klang…  als Rückweg zu Gott, als heilkraft, als Verführung und als Gewalt. Von Florian Fricke

... als Rückweg zu Gott

In der Dreiprinzipienarchitektur der tibetischen Kosmogonie, - bei der die höchste Stufe die achte ist, da die Null als Repräsentanz des Vorweltlichen, Ungeborenen mitgezählt wird - wird der Gehörsinn als eine Manifestation der achten Stufe, der Stufe des geistigen Prinzips (Chi oder Luft) verstanden. Zu dieser achten, "göttlichen" Stufe, Menschlichem gewöhnlich unerreichbar, erhebt sich der Mensch mit Hilfe des Wortes, des Gesanges oder der Hingabe an den inneren Klang, an Gottes Ohr, OM.

Das Wort, das ist der Machtaspekt. Der Gesang, das ist der Liebesaspekt, Hingabe an den inneren Klang, das ist der direkte Weg zu Gott.

Das Ohr ist ein weibliches Organ "in den Ohren wohnen die Göttinnen der Raumrichtungen, der Walterinnen des Elementes Raum, das in der Ohrmuschel des Ohres sich als Schall einfängt, " (Avur-veda 111, 8). Das Ohr ist der Mutterschoß dieses Schalls, der eindringt und alsbald den "Geist färbt'', wie es in einem indischen Sprichwort heißt. So über Wort, Gesang, Klang zeugen den Einfluß auf die Stimmung des Menschen aus, sie vermögen zu verwandeln. In der vollkommensten Weise, dem religiösen Ritual zugeordnet, führen Wort, Gesang, Klang den Menschen in die Nähe Gottes.

 … als Heilkraft

Ein Mysterium, dem wir uns langsam, noch im Dunkeln tappend, heute wieder nähern: die psychische Heilkraft von Wort, Gesang, Klang - früheren Jahrhunderten wohl bekannt. Ein Beispiel: Der Geist aber des Herrn wich von Saul und ein böser Geist vorn Herrn machte ihn unruhig; da sprachen die Knechte Sauls zu ihm: Siehe, ein böser Geist von Gott macht dich sehr unruhig; unser Herr sage seinen Knechten, die vor ihm stehen, daß sie einen Mann suchen, der auf der Harfe wohl spielen könne, auf daß, wenn der böse Geist Gottes über dich kommt, er rnit seiner Hand spielt, daß es besser mit dir werde." (Buch Samuel 16, 14) Wie bekannt, wurde der spätere König David zu diesem Zweck geholt. Wie erfolgreich seine Bemühungen waren, erzählt das Ende des 15. Kapitels des Buches Samuel (diesmal nicht wie oben die lutherische sondern die herrliche Übersetzung von Martin Buber): "Und so wars nun: wann das Gottesgeisten auf Schaul war, nahm David die Leier und spielte mit seiner Hand, da wurde es Schaul wie-der geistgeräumig, ihm wurde wohl, das böse Geisten wich von ihm hinweg.”

Dies wäre nun die vornehmste Wirkungsweise der Musik: als heilende Kraft. Es ist keine Utopie mehr, sich vorzustellen, daß die Zusammenhänge zwischen Tonhöhe, Intervall, Klangstruktur, Rhythmus und Kosmos, Mensch andererseits schon innerhalb der nächsten zehn, zwanzig Jahre im Westen strukturell erforscht sein könnte. Indien besitzt seit Jahrtausenden einen gewaltigen Fundus an Analogien zwischen Musik und Natur, Musik und menschlichem Körper, Musik und unserem Planetensystem; es besitzt in der formalen Gestaltung zum Beispiel einer Raga den dramaturgischen Schlüssel zu dem Mysterium des Eindringens der Musik in den Geist. Wenn es uns gelingen sollte, die neu zu findenden Erkenntnisse über Musik, Klang überdies auch innerlich zu erleben - das Morgenland hat in diesem Punkt eine unendlich lange und großartige Kultur, wir stehen noch davor - dann wären wir wieder in der Lage, Musik heilend anzuwenden.

Für Musiker eine kleine, interessante Aufstellung (nach der indischen modalen Musiklehre):

Grundton     = Seele

Sekunde       = Kopf  

Terz             = Arme

Quart           = Brust

Quinte         = Hals

Sext            = Hüften

Sept            = Füße

Versucht man beim Spielen sich gleichzeitig mit dem angeschlagenen Ton auch den entsprechenden Körperteil vorzustellen, so gerät man sehr bald - vorausgesetzt, die Musik ist rein und tonal - in eine enorme Schwingung und körperliche Identität mit dem Ton, was diesem eine große Überzeugungkraft verleiht.

 ...als Verführung

Die "betörende" Wirkungsweise von Wort, Gesang, Klang, das Sinnenverwirrende des Schalls kennen wir, auch über das Beispiel des Rattenfängers von Hameln hinaus, nur allzu gut. Wir sind umgeben davon: Wort als Verführung, Gesang als Verführung - seit einiger Zeit, durch das Aufkommen der Elektronik - äußerer Klang als Verführung. Ist es nicht abscheulich, wie es ausgerechnet die Gier des Menschen verstanden hat, zu ihrer eigenen Befriedigung instinktiv zu den Geheimnissen des Schalls', zur Suggestivkraft von Wort, Gesang, Klang vorzudringen? Diese Gier, gigantisch repräsentiert durch das 'kapitalistische System, in ihrer widerlichsten Erscheinung der Konsumwerbung: hier wird Wort und Musik zum Zweck der Verführung mit dem Bild verschmolzen, oft in diabolisch zynischer Form. Nahrungsmittel, die, wie man heute weiß zu einem früheren Tod führen, werden angeboten mit "beschwingender" Musik. Bei der Werbung für Tabakmittel oder Chemiedrogen sorgt Musik ebenfalls für frohlockende Stimmung. Musik wird da als Schleier vor der unterscheidenden Vernunft aufgezogen. Es ist dies tödliche Verführung, eine Mißachtung des Menschen, (Da Geruch weniger nachweisbar, weniger laut, heimlicher ist, ist die Industrie dazu übergegangen die Beeinflussung des potentiellen Konsumenten mittels Duft vorzubereiten. Die Osmologie, "Wissenschaft der Düfte'", ist auch weit besser in unsere Zeit hineingekommen, als das Wissen um die psychische Kraft des Wortes, Gesangs, Klanges.

Daß ein Großteil der amerikanischen, englischen Popmusik ebenfalls in diesem finsteren Bereich, wo Musik als Verführung und im Zusammenhang mit Verführung auftritt, zu suchen sein könnte, - dies behaupten wir nicht, dies bedenken wir. Denn allein die Lautstärke einer Gruppe wie Deep Purple ist vernichtend; sie bestätigt die Aggression da, wo sie gerade schon schwinden will. In einer neuen Generation. Bei uns.

...und als Gewalt

Altamont, Rolling Stories. Jericho: wer an der Glaubwürdigkeit der im Buch Josua beschriebenen Einnahme Jerichos zweifelt, der mag sich von neuem in das 6. Kapitel dieses Buches vertiefen und ein wahrhaft gigantisches, multornediales Gewaltritual vorfinden, bei dem nicht der Schall der sieben Halbjahresposaunen es war , der, wie man allgemein meint, die Mauern Jerichos erschütterte, sondern die Kraft des ersten Tones aus dem Mund des Volkes, dem Josua vor den Mauern Jerichos ein siebentägiges Schweigen befohlen hatte; man kann sich vorstellen, mit welch psychi scher Kraft, einer Entladung gleich, hier Schall benutzt wurde und wohl auch gewirkt haben muß.

Diese Sammlung von bunten Beispielen ist nicht zum Selbstzweck erfolgt, sie führt zu folgender Schlußbemerkung: Wenn wir erfahren haben, daß hinter dem Medium Wort, der Musik sich ein Bereich unvorstellbarer Kraft und - im negativen Fall - Gewalt verbirgt, dann zwingt und dies, dieses Medium mit einer neuen Ethik in Zusammenhang zu bringen. Wenn wir einmal eingesehen haben, daß man mit Wort, Gesang, Klang töten kann und getötet werden kann - wieso entscheiden wir uns dann nicht für äußerste Vorsicht bei dem, was wir von uns geben, wenn wir uns schon nicht eher dazu bewegen lassen, nur Wohltuendes zur gegenseitigen Förderung über die Lippen kom-men zu lassen. Der ägyptische Geschäftsmann der Pharaonenzeit, vertraut mit der Magie des Wortes, begrüßte seinen Handelspartner vor jedem anderen Wort stets folgendermaßen. Er sagte: "Deine Unternehmungen gedeihen, sie gedeihen, sie gedeihen," Der andere erwiderte den gleichen Satz. Ja, das ist es, was wir meinen, deshalb die vielen Zeilen. Was für das Sprechen gilt, sollte uns für die Musik tausendmal gelten: Laßt uns Musik machen, die uns wohltuend bedenkt, die uns von dem AUSSEN nach INNEN führt. Dort laßt uns gemeinsam sein. Friede und Freude.

POPOL VUH besteht aus

Holger Trülzsch - percussion, drums

Florian Fricke - Moog-Synthesizer, organ, e-piano

Frank Fiedler - Moog-Synthesizer - Mixdown

POPOL VUH

Affenstunde, Liberty LBS 83 4601

In den Gärten Pharaos Pilz, BASF


This article was also inclosed on the compilation album 'Kosmische Musik' (1973).

An english translation is available here: www.eurock.com

Lees meer …Wort, Gesang, Klang

Musik ist für mich eine Form des Gebets

Source: Sounds, nr.49, 1973-03, p.35-37
Author: Rainer Langhans

Musik ist für mich eine Form des Gebets

Popol Vuh, Musikgruppe aus München, verzichtet auf den Moog Synthesizer. Mit dieser Musikmaschine hatte Popol Vuh (als einzige deutsche Popgruppe) zwei Langspielplatten produziert, zuletzt “In den Gärten Pharaos”, und die Musik für Werner Herzogs Spielfilm ‘Aguirre, der Zorn Gottes’ aufgenommen. Auf ihrer neuen Langspielplatte HOSIANNA MANTRA wurden die elektronischen Klänge durch klassische Instrumente wie Oboe, Violine und Fagott ersetzt, die zum Teil von Mitgliedern der Münchener Philharmoniker gespielt wurden. Eine koreanische Sopranistin singt dazu hymnische Lieder in deutscher Sprache.

Seit Jahren bin ich mit Florian Fricke befreundet. Es ist eine von den Freundschaften, die intensiv und in großen Intervallen sich ausdrücken. Man sieht sich gern und dann lange nicht - ohne sich zu verlieren. Ich sah Popol Vuh vor einiger Zeit im Studio bei der Arbeit an der Platte, die jetzt herauskommt - sie waren unansprechbar. Nun - Monate danach holten sie mich, weil jetzt über die Platte gesprochen werden soll. Ich sollte Vermittler spielen, etwas für die Medien schreiben. So ging ich hin und hörte und fühlte die Musik und sah, wo sie stehen.
Florian ist ein hingebungsvoller Musiker und Intellektueller in wechselnder Einheit - Conny Veits mehr praktischer Intellekt wirkt dabei stabilisierend. Es bot sich uns als Methode für große Genauigkeit kein verbales Interview, sondern ein Aufschreiben von Antworten auf Fragen, die als Reibfläche, Startlöcher vorgegeben wurden. Es sollten vor allem einfache, schematische Fragen sein, gängigem Bewußtsein folgend und ohne Einengung vom Frager her - zu deuten und füllen nach Belieben vom Antwortenden. Das ging gut, und die Teilnehmer dieses ‘Gespräches’ waren zufrieden, denn man lernte sich staunend noch einmal ein wenig besser kennen. Vermittlung im Kleinen war es - mediale Information.
Eine der Fragen wurde dabei nicht beantwortet: “Ihr habt einen Ausflug in die im weitesten Sinne östliche Geisteswelt gemacht und seid nun zurückgekehrt. Deutet das auf einen Versuch hin, unsere Hier-und-Jetzt-Situation Bewußter und ohne Ausweichen in Träume anzugehen?
Doch vielleicht ist das folgende Interview eine Antwort als Ganzes - eine zögernd positive.

Wer ist Popol Vuh und wie hat sich die Besetzung der Gruppe verändert?

Florian Fricke: Es sind fast drei Jahre her, da habe ich meinem Vorhaben, eine neue, hymnische Musik zu schaffen, den Namen Popol Vuh gegeben. Zwei Freunde fülhten sich damals vor allem zugehörig” Holger Trülzsch (percussion) und Frank Fiedler (moog synthesizer mix-down). Wir haben zusammen zwei Langspielplatten gemacht, AFFENSTUNDE und IN DEN GARTEN PHARAOS. Holger ist danach eigene Wege gegangen - manchmal spielt er noch bei uns mit. Frank ist weiterhin dabei. Zunächst verwirklicht er jedoch eine eigene musikalische Idee. Er arbeitet jetzt unabhängig von mir am Moog. Die neue Popol Vuh-Formation sieht so aus: Conny Veit (E-Gitare, 12-string), Robert Eliscu (Oboe), Djong Yun (Gesang), Klaus Wiese (Tamboura) und ich. Conny und ich arbeiten seit Frühjahr 1972 zusammen; jetzt, am Ende des Jahres - nach harter Arbeit - sind wir Freunde.  

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Dein Eigener Körper eine Kirche

Die neue Langspielplatte heißt HOSIANNA MANTRA. Deutet das darauf hin, daß ihr euch nun mit abendländischer Kirchenmusik beschäftigt?

Florian Fricke: Schon die LP IN DEN GARTEN PHARAOS ist eine irgendwie sakrale, ergriffene Musik; sie zeigt das noch nicht so deutlich, da die Musik rein instrumental ist und niemand darauf ein religiöses Wort singt. Beim komponieren von HOSIANNA MANTRA bin ich von christlichen Textinhalten ausgegangen. Wir haben lange nach einer geeigneten Sängerin gesucht. Es war ein Wagnis, das ich nur dem Text zuliebe eingegangen bin. Ein Freund aus Berlin hat uns dann eines Tages mit dem koreanischen Mädchen Djong Yun zusammengebracht und wir konnten nach vier Wochen Proben mit ihr ins Studio gehen.
In meinem Selbstverständnis ist HOSIANNA MANTRA sehr christlicher Musik; Kirchenmusik kann man sie nicht nennen, außer du verstehst deinen eigenen Körper als Kirche und die Ohren als ihren Eingang.

Conny Veit: Auch ich nehme Abstand von der Klassifizierung ‘Kirchenmusik’, obwohl ich es durchaus für möglich und angemessen halte, daß HOSIANNA MANTRA als Kirchenmusik Anwendung findet. Eigentlich ging es mir bei der Realisierung dieser Platte um etwas andres. Ich wollte mit meinen mit mir zur Verfügung stehenden Mitteln urchristliches Sein und Fühlen erfassen, um die Richtigkeit elementarer Wahrheiten im christlichen Wort zu vermitteln. Nicht als Prediger, sondern als einer, dem archaische Lebensformen wertvoller und richtiger erscheinen als unsere eigene Jetzt-Kultur.

Wie ist denn eine Musik, die du, Florian, “sehr christlich” nennst?

Florian Fricke: Jede Zeit hat dafür natürlich ein anderes Gefühl. Vielleicht kann man sagen: Christliche Musik ist im Fühlen schmerzlich, im Ausdruck lächelnd - denk an unsere Rose als christliches Symbol - im Gegensatz zur Lotusblume des Ostens. Die Rose hat Dornen auf dem Weg hinauf - und oben thront etwas ganz Wunderbares, die Blüte - Kreuzigung und Auferstehung, Sterben, um geboren zu werden; dieses ist christliches Verständnis, das wir z.B. im Klang der Oboe finden, in der Dornenkrone des Cembalo, auch in der E-Gitarre, so wie Conny sie spielt, jubelnd und klagend zugleich. Unser ‘Kyrie’ kann dir zeigen, was ich unter typisch christlicher Musik verstehe. Man muß es hören.”

Conny Veit: “Für mich ist das sehr einfach zu beantworten. Es ist keine Musik zum Zwecke der Selbstbehauptung. Es ist Musik, die der Selbsthingabe entspringt. Nicht Behauptung des ichhaften Fühlens, sondern Hingabe als das selbstlose Fühlen was für mich notwendig, um diese Musik machen zu Können - und das ist christlich.  

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Sich reinigen, verinnerlichen - ohne Technik

Der Moog Synthesizer, der gerade bei euch eine so große Rolle spielte, kommt nun nicht mehr vor. Warum?

Florian Fricke: Im Zusammenhang mit christlich religiöser Musik möchte ich den Moog Synthesizer nicht verwenden. Das hat mehrere Gründe. Einige davon will ich nennen: Entscheidend für den Wahrheitsgehalt einer Musik könnte sein, wieweit die Art und Weise der Herstellung identisch ist mit dem Inhalt, der am Ende, nach der Abmischung, auf dem fertigen Band ist. Ein Beispiel: Vor kurzem las ich auf einer Plattenhülle, daß eine Berliner Avantgardegruppe bei einer Platte, die eine elektronische Meditation beinhalten soll, eine Peitsche verwendet hat. Das ist doch ein Unding - und der Moog Synthesizer ist letzten Endes auch so eins. Er ist schwarz und äußerlich erschreckend, er ist ein überdifferentziertes, technisches Gebilde, das man z.B. sehr lange einstimmen muß, um in klängliche Bereiche zu gelangen, die nicht kalt sind und nur Technik vermitteln - was ja keinesfalls meine Absicht ist. Musik ist für mich im Laufe der Jahre immer mehr zu einer Form des Gebetes geworden. Man kann wohl mit Elektronik zunächst mehr als mit anderen natürlichen Klängen die Tiefe, das Unbewußte, das Zeitlose des Menschen erreichen - ich weiß das und es hat mich lange fasziniert. Ein schönerer und ehrlicher Weg scheint mir heute zu sein, sich selbst ohne technische Hilfsmittel zu reinigen und zu verinnerlichen und dann mit einfacher, menschlicher Musik diese Räume des Dunkels oder Lichts, den inneren Menschen anzurühren”.  

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Gott ist hier, in unserem Tun, Sprechen, Fühlen

Die gesungenen Texte sind sämtlich auys der Bibel. Welche Beziehung hast du zu ihr?

Florian Fricke: “Ein Freund hat mir vor zwei Jahren die Übersetzung des Alten Testaments von Martin Buber, dem jüdischen Philosophen, geschenkt. Die, wenn ich das so sagen darf, sinnliche, mittelmeerisch-strahlende Sprache, die übersichtliche szenische Ordnung dieser Übersetzung hat mir das Wesen der bilbischen Gestalten sehr nahe gebracht - die Bibel wurde Leben für mich.
Immer wieder las ich das Buch Samuel - war es zu Ende gelesen, dann suchte ich in den Chroniken, den Geschichtsbüchern nach weiteren Angaben über diese Zeit. Ich würde meinen Ansatz beim Lesen damals gar nicht so sehr religiös nennen. Doch mit der Zeit hat sich das, wie’s eben so geht, verfeinert. Textvergleiche mit Luthers Übersetzung haben mir dann nachträglich den hohen geistigen Rang der Lutherschen Sprache und seiner Deutung bewußt gemacht.

Warum diese Auswahl an Texten und was bedeutet die Textstelle “Sehr nahe ist dir das Wort” und “es”, also das Wort “es zu Tun”, und warum war dir diese Textstelle so wichtig, daß du sie ausgesucht hast?

Florian Fricke: “Schon während der Arbeit am ‘Pharao’ komponierte ich an der ‘Segnung’ aus dem 5. Buch Mose. Für mich war es immer ein Liebeslied an meine Frau.
Der Text, der heute auf HOSIANNA MANTRA ‘Nicht hoch im Himmel’ heißt, war damals auch schon bekannt - ich glaubte aber, seine Vertonung wäre zu schwer für mich. Andererseits hat er mich als klare, unmisverständliche Definition vom Religiösen tief beeindrückt. Ich habe das Lied dann doch kurz vor dem Studiotermin komponiert. Der Text erschien mir auch deshalb so wichtig, weil ich wußte, daß eine religiöse Platte heutzutage sicherlich vielen Mißverständnissen ausgesetzt ist - und dieser Text sagt doch klar, daß Religion keine Sache ist außerhalb der Reichweite des Menschen, sondern daß Gott hier ist, hier unten, in unserem Tun, Sprechen und Fühlen. Ja, das ist wichtig zu sagen.
Dies sind die Texte der B-Seite. Die A-Seite ist eine kleine ‘Messe’ von Popol Vuh. Das erste Stück ‘Ah’ ist ein Staunen. Ich habe mit meinem Spiel am Klavier versucht, daß Rückgrat zu berühren, Terzenläufe rauf und runter, und Conny spielt so, als wäre er gerade aus einem tiefen Schlaf erwacht, schaut sich verwundert um und sagt: ‘Das gibt’s ja gar nicht!’
Das anschließende ‘Kyrie’ist ein in gewisser Weise klassisches ‘Kyrie Eleison’ und mehr noch als das erste Stück Vorbereitung für das große zentrale ‘Hosianna Mantra’. Da hatte ich die vor Augen, die dem Jesus auf dem Maultier beim Einzug in Jerusalem zujubeln: ‘Hosianna, Sohn Davids!’ Wenn ich das Stück spiele, dann stehe ich in dieser Schar der Bedürftigen und sage mir: “So jetzt bist du dran”, und dann spiele und singe ich zu dieser, wenn man so will, schäbigsten Krönung aller Zeiten.

Musik ist ein Dienst am Schönen

Will euere Musik Verbindungen schaffen zwischen abendländischen und ösltichen Religionsverostellungen?

Conny Veit: Das hieße, wir wollen eine Verbindung schaffen, die ohnehin besteht. Der in einem religiösen Begriffssystem Verhaftete ist sicherlich nicht in der Lage oder nicht willens, diese Verbindung zu sehen. Der Nicht-Verhaftete, leichtfertigerweise oft der ‘Ungläubige’genannt, ist gezwungen, in den Extrakten der verschiedenen Glaubensbekenntnisse eine religiöse Wahrheit, den Ursprung zu erkennen.

Ist eure Musik eigentlich noch Popmusik, wie ja eure vorigen Platten und das Label, wo sie erschienen, nahelegen?

Conny Veit: Der Begriff Popmusik entspringt dem kommerziellen Bereich, und daher würde ich dich bitten, uns diese Frage in einem Jahr wieder zu Stellen: Vielleicht ist HOSIANNA MANTRA bis dahin Popmusik geworden. Ich halte das für möglich - die Musik ist begreifbar.

Wie verträgt es sich miteinander, Musiker und Komponist geistlicher Musik und Zulieferer der Plattenindustrie zu sein?

Conny Veit: Ich finde es nicht tragisch. Wir liefern keine zerstörerisch wirkende Produkte. Die Plattenindustrie ist für mich eine bloße Vertriebsorganisation, die nichts mit dem Inhalten unserer Musik zu tun hat. Wenn überhaupt Kommerz und Handel, dann Handel mit Waren, die nicht zerstören, weder den Menschen noch seine Umwelt.

Welche Beziehungen gibt es zwischen euer Platte HOSIANNA MANTRA und einer Lebensweise?

Florian Fricke: Da kann ich natürlich nur für mich sprechen. Ich weiß, daß es wichtig ist, daß sich das Produkt nicht wesentlich von der Art und Weise unterscheidet, in der es hergestellt wurde - ich habe das vorher schon gesagt. Selbstverständlich ist HOSIANNA MANTRA schöner, vollkommener, weicher, versunkener als ich selbst es die meiste Zeit bin. Beim machen der Musik aber ist mittlerweile doch wenig individuelles Verhaftetsein, wenig Unschönes dabei. Doch darf man sich nie gleichsetzen mit seinem Produkt, das ja die Konzentration all dessen darstellt, was sonst noch recht im Wirbel begriffen ist. Musik ist mein Mittel, mich der Utopie realistisch zu nähern; sie ist ein Dienst am Schönen und man wird belohnt.

Nicht hoch im Himmel

...Nicht entrückt ist Es Dir
Nicht hoch im Himmel
Hoch im Himmel
Daß Du sagst:
Wer steigt für uns hinauf
Und holt uns. Sieh, nicht überm Meer ist’s
Nicht fern
Daß du sagst:
Wer fährt uns übers Meer hinüber
Und holt uns. Nein,
Sehr nah ist Dir das Wort:
In deinem Mund und
In Deinem Herzen,
Es zu tun.

© Edition Intro

Lees meer … Musik ist für mich eine Form des Gebets

Popol Vuh - Musik als Form des Gebets

Source: Pop, nr.5, 1973
Author:

Popol Vuh - Musik als Form des Gebets

Tiefes religiöses Empfinden und innere Ruhe musikalisch auszudrücken, ist das Ziel von Florian Fricke. Nach Musikhochschul-Studium und Mitwirkung bei einer Free-Gruppe kam Florian Fricke durch seine kurze Zusammenarbeit mit dem Avantgarde-Musiker und Leiter der Münchner Kammeroper Eberhard Schoener in den Bannkreis des Moog-Synthesizers. Fasziniert von den Möglichkeiten elektronischer Musik gründete Fricke wenig später zusammen mit Frank Fiedler und Holger Trülzsch die experimentelle Formation Popol Vuh. Mit Florian Frickes eigener Moog-Elektronik ging Popol Vuh mit dem ersten Album ‘Affenstunde’ auf eine mystische Reise durch eine gurgelnd-fliessende, fremdartige Tonwelt. Bei der zweiten LP ‘In den Gärten Pharaos’ schien die Zeit zum Stillstand gekommen: gedehnte ätherische Tonschleier wurden überlagert von silbrigen Stimmen und fernöstlichen Trommelklängen.

Vor wenigen Tagen erschien nun die dritte Langspielplatte von Popol Vuh: ‘Hosianna Mantra’. Mit diesem religiösen Titel stellt sich Popol Vuh in neuer Besetzung vor. Conny Veit (Gitarre), Robert Eliscu (Oboe), Klaus Wiese (Tamboura) und die koreanische Sängerin Djong Yun begleiten Florian Fricke, der Piano und Cembalo spielt und bei der Instrumentierung seiner Kompositionen von ‘Hosianna Mantra’ beinahe ganz auf die Synthesizer-Elektronik verzichtete. POP sprach mit Florian Fricke und Conny Veit über das ungewöhnliche Album:

POP: Das Album ‘ Hosianna Mantra' steht in enger Beziehung zu den Überlieferungen der abendländischen Kirchenmusik. Welche Bedeutung hat Religion in der Musik von Popol Vuh?

Florian: Schon unsere LP ‘In den Gärten Pharaos’ trägt musikalisch sehr sakrale Züge, doch das wird bei rein instrumentaler Musik noch nicht so deutlich. Beim Komponieren von ‘Hosianna Mantra’ bin ich von christlichen Textinhalten ausgegangen, und in meinem Selbstverständnis ist ‘Hosianna Mantra’ auch sehr christliche Musik.

Conny: Ich wollte mit den mir zur Verfügung stehenden Mitteln urchristtliches Sein und Fühlen erfassen, um die Richtigkeit elementarer Wahrheiten im christlichen Wort zu vermitteln.

Florian: Jede Zeit hat dafür natürlich ein anderes Gefühl. Vielleicht kann man es so ausdrücken: Christliche Musik ist im Fühlen schmerzlich und im Ausdruck lächelnd, wie die Rose als christliches Symbol. Die Rose hat Dornen auf dem Weg nach oben, und oben thront etwas ganz Wunderbares, die Blüte. Kreuzigung und Auferstehung, Sterben um geboren zu werden, das ist christliches Verständnis - wie auch die E-Gitarre, wie Conny sie spielt: jubelnd und klagend zugleich.

POP: Die gesungenen Texte sind der Bibel entlehnt. Welche Beziehung hat Popol Vuh zum christlichen Glauben?

Florian: Ein Freund hat mir vor einiger Zeit die Übersetzung des alten Testaments von dem jüdischen Philosophen Martin Buber geschenkt. Die sinnliche, strahlende Sprache, die übersichtliche szenische Ordnung dieser Übersetzung hat mir das Wesen der biblischen Gestalten sehr nahe gebracht: die Bibel wurde Leben für mich. Ich würde meinen Ansatz damals, beim Lesen, gar nicht so sehr religiös nennen. Doch mit der Zeit hat sich das verfeinert. Textvergleiche mit Luthers Übersetzung haben mir dann nachträglich den hohen geistigen Rang seiner Sprache und seiner Deutung bewusst gemacht. Text, der auf dem Album ‘Nicht hoch im Himmel’ heisst, ist mir schon länger bekannt. Diese Zeilen erscheinen mir deshalb so wichtig, weil ich weiss, dass eine religiöse Platte heutzutage sicher oft missverstanden wird. Dieser Text sagt aber doch ganz deutlich, dass Gott nicht ausserhalb der Reichweite des Menschen ist: Gott ist hier unten, in unserem Tun, Sprechen und Fühlen. Das ist wichtig auszudrücken.

POP: Der Moog-Synthesizer spielte als schier unerschöpflicher Klanggeber in der Musik von Popol Vuh eine wesentliche Rolle. Warum entstand ‘Hosianna Mantra’ ohne die Moog-Elektronik?

Florian: ‘ Hosianna Mantra’ sollte im Gegensatz zu den beiden vorhergehenden Platten klarer und reiner werden; sollte den Assoziationsraum aus dem Trip-Bereich in den eines sakralen, ergriffenen religiösen Fühlens rücken. Deshalb möchte ich den Moog-Synthesizer im Zusammenhang mit christlich-religiöser Musik nicht verwenden.
Die elektronische Musik ist heute von ihren kommerziellen Verwertern zu sehr in den Bereich des LSD-Wahns gerückt worden. Als ich mit elektronischer Musik anfing, wurde in Deutschland so gut wie nichts von jüngeren Leuten auf diesem Gebiet getan. Danach kam eine wahre Flut an Elektronik im Rahmen der Popmusik oder im Rahmen dessen, was heute so wenig bescheiden ’kosmische Musik’ genannt wird. Da sass ich dann in dem grossen wabernden Trog, der mir so unendlich unsympathisch ist - da ich aus dieser technischen Musik meist nur Kosmos-Angst, nie Verbundenheit mit dem Kosmos heraushören konnte. Man kann wohl mit Elektronik zunächst mehr als mit anderen, natürlichen Klängen die Tiefe, das Unbewusste, das Zeitlose des Menschen erreichen. Das hat mich lange fasziniert. Ein schönerer und ehrlicher Weg scheint mir heute jedoch zu sein, sich selbst ohne technische Hilfsmittel zu reinigen und zu verinnerlichen, und dann mit einfacher, menschlicher Musik diese Räume des Dunkels oder Lichts im Menschen anzurühren.

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'Popol Vuh' In den Garten Pharaos

Bron: Super Sound, nr.14, p.6, 1972
Auteur: F. Ghisellini

'Popol Vuh' - In den Gärten Pharaos

foto sounds 70Die fortschrittlichste, ausgereifteste und vielleicht wichtigste deutsche Plattenproduktion will jedoch bis jetzt nich keine Plattenfirma veröffentlichen. Zu wenig expressiv, zu weit voraus, zu aleatorisch erscheint den bei Deutschlands etablierten Plattenfirmen angestellten

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