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Source: Sounds, nr.12, p.22-25, 1972
Author: W.Trenkler

Die kosmische Reise

KOSMISCHE MUSIK ist der Titel eines Doppelalbums, das in diesen Tagen erscheint. Wir haben es mit dem Label ‘Eine Emppfehlung von Sounds’versehen. Die Platten bieten einen Überblick über die Musik, die mitgeholfen hat den Ruf der deutschen Popmusik, nicht zuletzt auch im Ausland, zu festigen. Dieser Artikel soll Euch die Musiker, ihr musikalisches Selbstverständnis und ihr Verhältnis zur Umwelt näher bringen.

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POPOL VUH

Die Musik der Popol Vuh wird jetzt als ‘Kosmische Musik’ deklariert, weil die Gruppe vor knapp einem Jahr die Plattenfirma gewechselt hat. Popol Vuh gibt es seit rund zwei Jahren: Florian Fricke (Synthesizer, Orgel, el.Klavier), Holger Trülzsch (Perkussion) und Frank Fiedler (Synthesizer-Mixdown). 1971 erschien ihre erste LP, AFFENSTUNDE, im April dieses Jahres kam die zweite, IN DEN GÄRTEN PHAROAS, heraus. Ein knapp zehn minuten langer Auszug aus deren Titelstück findet sich auf dem Sampler.
Mehr noch als bei Ash Ra Tempel mischen sich religiöse Vorstellungen in das Selbstverständnis von Popol Vuh. Der Musik merkt man das kaum an, deutlich aber den Erläuterungen von Florian Fricke. Die Musik fließt in schillernden Klangfarben, von exotischer und körperlicher Perkussion durchsetzt dahin. Am Anfang und Ende rauscht symbolhaft Wasser. Das Sein, das Leben an sich, Gott und änhliche Größen kommen ins spiel. Aber schließlich sagt Florian von sich: “Ich bin vor allem ein Musiker. Kein Yogi. ”Den Eindruck, ein sendungsbewußter Yogi zu sein, erweckt er deshalb, weil seine abendländischen Gesprächspartner besonders auf seine indisch-religiösen Sprüche einsteigen. Er befleißigt sich so sehr der In-Sprache des Yoga, daß man immerfort um Interpretationen bitten muß.
Frickes Weg zum Yoga ist seltsam: “Ich bin über den Synthesizer zu dieser Materie gekommen. Davor war ich Marxist. Parallel zur Arbeit am Synthesizer beschäftigte ich mich mit physikalischer Schwingungslehre. Darüber kam ich zur Religion.“ Er betreibt aktiv Yoga. Nicht zur “Leistungssteigerung in der kapitalistischen Gesellschaft”, sondern um eine innere Kraft zu gewinnen und zu erhalten. “Um mich zu stabilisieren”. Der kurzgeschlossene Körper, das Drüsentraining, die Magnetisierung seines Rückgrats u.a.m. sollen ihm die Kraft verleihen, tatsächlich die Dinge zu tun, die er eigentlich tun will. Wenn mir auch diese Techniken ein Rätsel sind, die Motivation kann ich als Angehöriger der Leistungs- und Prestige-Gesellschaft sehr gut nachvollziehen. In Florians Worten heißt sie: “Etwas weigert sich andauernd in einem gegen das, was man eigentlich will. Das will und muß ich überwinden.“
Die Erfolge dieses weltanschaulich gefärbten Trainings sind bereits in die Musik eingeflossen. So sollen die Hörer auch unterschwellig beeinflußt werden, an den Erfahrungen von Popol Vuh teilhaben können. Sie sollen für die “guten Dinge”, die die Gruppe im Auge hat, geöffnet werden. Florians Kommentar würde sich auf jeder Kanzel gut machen: “Laßt uns Musik machen, die uns von dem Außen nach Innen führt. Dort laßt uns gemeinsam sein. Friede und Freude.” - Diese Sprache ist mir sehr verdächtig. Aber ich weiß, daß es besser gemeint ist, als es klingt. Denn Popol Vuh wünschen jedem seinen eigenen Frieden. Und aus der Musik haben Popol Vuhs Zuhörer offenbar keine Dogmen herausgehört. Florian: “Die Leute schätzen es, daß wir etwas Eigenes, Neues bringen. Daß wir alle Klischées von uns werfen. Daß wir in uns etwas suchen und es so bringen, daß es nicht häßlich klingt. Es muß ja nicht, progressiv’ heißen.“ Und seine manchmal bedrohliche Sprache wird auf einmal aufgeweicht; “Ich Will nur anbieten, nicht subversiv sein.” Um aber etwas Eigneständiges erst mal zuwege zu bringen, muß man “erfüllt”sein. Ihn erfüllt Inneres mehr als Äußeres. Dazu braucht es Ruhe. Die Rockszene war ihm bisher zu laut, außerdem zu arrogant und kaltschnäuzig. Er hält es lieber mit Salomon, der da gesagt hat; “Eine handvoll Ruhe ist besser als ...’ was weiß ich (Florian)”.